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5. Kündigung


Reicht das Erschleichen von geringwertigen Sozialleistungen für eine Kündigung?

Die Klägerin, Mitarbeiterin in einer Bank, wurde dabei ertappt, wie sie in der Betriebskantine ein verbilligtes Essen kaufte, obwohl sie selbst keinen entsprechenden Ausweis besass. Vielmehr hat die Klägerin den Ausweis des ebenfalls bei der Bank beschäftigten Lebensgefährten benutzt, der an diesem Tag krank geschrieben war.

Die Beklagte wertete das Ganze als Betrugsversuch und hat der Klägerin fristlos gekündigt.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main ist dagegen der Ansicht, das Erschleichen geringwertiger Sozialleistungen rechtfertige die Kündigung nicht. In dem Urteil heisst es, dass di Arbeitnehmerin sich zwar um einen eigenen Ausweis hätte bemühen müssen. Dieser „arbeitsvertragliche Pflichtenverstoss“ rechtfertige aber nur eine Abmahnung, nicht aber die „schwerste aller denkbaren Sanktionen, die fristlose Kündigung.“ Auch sei der Schaden mit wenigen Euro minimal geblieben.

Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.03.2008, 17 Ca 7464/07

Ab wann läuft die Kündigungsklagefrist im Fall einer Schwerbehinderung?

Einem schwerbehinderten Arbeitnehmer wurde ohne die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, allerdings erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist, § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass die Kündigungsschutzklage wegen Fristversäumnis abzuweisen sei.

Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Wenn ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis von dessen Schwerbehinderung kündigt, ohne zuvor die nach § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt zu haben, kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen.

Nach § 4 Satz 4 KSchG beginnt in derartigen Fällen die dreiwöchige Klagefrist gemäss § 4 Satz 1 KSchG erst ab Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde.

BAG, Urteil vom 13.02.2008, 2 AZR 864/06 (SGB IX)

Führt ein Fehler bei der Sozialauswahl zur Unwirksamkeit aller Kündigungen?

Nach bisheriger Rechtsprechung wurden die Kündigungen aller gekündigten Arbeitnehmer als unwirksam angesehen, wenn dem Arbeitgeber bei der Ermittlung der Punktzahlen ein Fehler unterlaufen war. Dies galt auch, wenn nur einem einzigen Arbeitnehmer nicht gekündigt wurde, dem bei richtiger Ermittlung der Punktzahlen aber gekündigt hätte werden müssen, sogenannte Domino-Theorie. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nun aufgegeben.

Kündigt der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen einem Teil der Belegschaft, muss er eine Auswahl treffen. Bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber nach dem Gesetz soziale Gesichtspunkte wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten oder eine etwaige Schwerbehinderung ausreichend berücksichtigen. Dabei kann der Arbeitgeber zur Objektivierung und besseren Durchschaubarkeit seiner Auswahlentscheidung die sozialen Gesichtspunkte mit einem Punktesystem bewerten. Für jedes der genannten Kriterien erhält der Arbeitnehmer Punkte. Anhand der von einzelnen Arbeitnehmern erreichten Punktzahlen kann er dann eine Rangfolge der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer erstellen. Die Arbeitnehmer, die die geringeren Punktzahlen zuerkannt bekommen haben werden dann eine Kündigung erhalten. Verrechnet sich der Arbeitgeber, kann dies nicht nur die Rangordnung durcheinanderbringen, sondern führte bisher dazu, dass alle Kündigungen unwirksam wurden.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass der Arbeitgeber in solchen Fällen im Kündigungsschutzprozess aufzeigen kann, dass der gekündigte Arbeitnehmer auch bei richtiger Erstellung der Rangliste anhand des Punktesystems zur Kündigung angestanden hätte. Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis erbringen ist die Kündigung nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. In diesen Fällen ist der Fehler für die Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers nicht ursächlich geworden und die Sozialauswahl jedenfalls im Ergebnis ausreichend.

Im vorliegenden Fall blieb der Kläger mit seinen erreichten Punkten in der Gruppe von denjenigen Arbeitnehmern mit den geringsten Punktzahlen, so dass das Bundesarbeitsgericht seine Klage abgewiesen hat.

BAG, Urteil vom 09.11.2006, 2 AZR 812/05

Wieweit geht der besondere Kündigungsschutz von Mandatsträgern?

Ein bei einer nachgeordneten Einrichtung der amerikanischen Streitkräfte beschäftigter Arbeitnehmer mit Standort in Hessen wird betriebsbedingt gekündigt. Der Kläger erhebt Kündigungsschutzklage und beruft sich als Gemeindevertreter in seinem Heimatort in Rheinland-Pfalz auf § 35a Hessische Gemeindeordnung (HGO). Er trägt vor, die Kündigung verstösst gegen eine gesetzliches Verbot und sei daher nichtig.

§ 35a HGO lautet:

„Die Arbeitsverhältnisse von Gemeindevertretern können vom Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund gekündigt werden; das gilt nicht für Kündigungen während der Probezeit. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Gremium. Es gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort.“

Hierzu:
ArbG Darmstadt, 12/5 Ca 311/06 (das Verfahren endete durch Vergleich am 15.02.2008. Die Frage, ob § 35 a HGO einschlägig ist wurde nicht erörtert.)
ArbG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.09.1998, 16 Ca 3280/98
LAG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.02.2003, 7 Sa 2015/01

Wie umfangreich ist der Sonderkündigungsschutz von Betriebsrats-mitgliedern?

Der Arbeitgeber hatte eine ordentliche Änderungskündigung gegenüber allen Beschäftigten ausgesprochen. Er wollte eine Änderung der Arbeitszeit sowie den Wegfall verschiedener Zulagen und Sonderzahlungen durchsetzen. Hiergegen klagte ein Ersatzmitglied des Betriebsrates unter Berufung auf § 15 KSchG. Der Kläger hatte innerhalb des letzten Jahres vor der Änderungskündigung an Betriebsratssitzungen teilgenommen. Nach § 15 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nur aus wichtigem Grund möglich. Der Arbeitgeber wandte dagegen ein, das Betriebsratsmitglied sei hier nicht durch § 15 KSchG geschützt, da bei generellen Massnahmen gegenüber allen Arbeitnehmern keine besondere Schutzbedürftigkeit der Betriebsratsmitglieder bestünde.

Die Klage hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat im Sinne des Klägers entschieden. Der Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern gilt uneingeschränkt auch bei sogenannten Massenänderungskündigungen. Auch wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen allen oder der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebs kündigt, rechtfertigt ein solcher Massentatbestand nicht ausnahmsweise eine solche Kündigung gegenüber Betriebsratsmitgliedern. Der in § 15 KSchG normierte besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern schliesst ordentliche Kündigungen aus. Diese generelle Regelung ist im Interesse einer ungestörten Amtsführung der Betriebsräte geschaffen worden und lasse keine Ausnahme zu.

BAG, Urteil vom 07.10.2004, 2 AZR 81/04

Ist eine Betriebsvereinbarung, wonach bei einem Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine Abfindung gezahlt wird, wirksam?

Grundsätzlich gilt, dass erzwingbare Sozialleistungen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen. Daran hat sich auch nicht durch die Einführung des § 1a KSchG am 01.01.2004 etwas geändert. Allerdings können die Betriebsparteien bei einer Betriebsänderung zusätzlich zu einem Sozialplan in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Leistungen für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt.

Das Bundesarbeitsgericht begründet diese Möglichkeit damit, das die Befugnis zu so einer freiwilligen Betriebsvereinbarung schon aus dem Gesetz folge, § 88 BetrVG. Eine solche Vereinbarung verstösst auch nicht gegen den auch bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen zu beachtenden betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Das Interesse des Arbeitgebers an rascher Herstellung von Planungssicherheit durch nicht erhobene Kündigungsschutzklagen rechtfertige die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, die auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten und denjenigen, die dies nicht tun. Eine solche Betriebsvereinbarung verstosse auch nicht gegen § 612a BGB.

Allerdings ist bei einer solchen Betriebsvereinbarung zu beachten, dass nicht das Verbot umgangen wird, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Eine Umgehung kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Sozialplan keine angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht oder wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass finanzielle Mittel, die für den Sozialplan vorgesehen sind, funktionswidrig für die Erfüllung der Betriebsvereinbarung eingesetzt worden sind.

BAG, Urteil vom 31.05.2005, 1 AZR 254/04

Wie umfangreich ist der Kündigungsschutz im Kleinbetrieb?

Der Kläger war im Elektrofachhandel seit 1997 als Kundendienstmonteur bei der Beklagten mit einem Bruttomonatslohn von zuletzt 5.500,-- DM zuzüglich einer Fahrtkostenpauschale von 500,-- DM beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt neben dem 1945 geborenen Kläger nur noch drei weitere Mitarbeiter, die Ende 1999/Anfang 2000 eingestellt wurden, deutlich jünger als der Kläger sind und erheblich weniger verdienen. Einer der Mitarbeiter ist als Lagerarbeiter, einer als Auslieferungsfahrer und einer als Monteur und Verkäufer beschäftigt. Am 30.06.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen.

Der Kläger machte geltend, die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung verstosse gegen Treu und Glauben und lasse ein Mindestmass an sozialer Rücksichtnahme nicht erkennen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitgericht blieb auch erfolglos. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die ordentliche Kündigung der Beklagten bedurfte daher zu ihrer Wirksamkeit keines Grundes iSd. § 1 KSchG. Die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer im Kleinbetrieb kann jedoch nach § 242 BGB unwirksam sein. Stützt sich der Arbeitgeber des Kleinbetriebs auf betriebliche Umstände und kommt eine Auswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern in Betracht, so ist die Kündigung dann rechtsmissbräuchlich und nach § 242 BGB unwirksam, wenn schon auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der Arbeitgeber ohne entgegenstehende betriebliche Interessen einem Arbeitnehmer kündigt, der erheblich schutzwürdiger als vergleichbare, nicht gekündigte Arbeitnehmer ist. Nach diesem Massstab war die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung schon deshalb nicht zu beanstanden, weil die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer jedenfalls zum Teil andere Tätigkeiten als der Kläger ausübten und deshalb nicht mit ihm vergleichbar waren. Auf das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe, insbesondere die Frage der Personalkosten, kam es danach nicht mehr an.

BAG, Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 627/01

Kann ein Aufhebungsvertrag nach § 312 BGB widerrufen werden?

Die Klägerin war seit 1988 im Hotelbetrieb der Beklagten als Spülerin tätig. Am 28.01.2002 unterzeichnete sie im Büro des Geschäftsführers einen von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag, wonach ihr Arbeitsverhältnis am 28.02.2002 enden sollte. Am 07.03.2002 widerrief sie ihre Erklärung. Sie macht geltend, bei der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sich in einer „Überrumpelungssituation“ befunden zu haben. Mit ihrer Klage hat sie zuletzt sich auch noch auf § 312 BGB nF, Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften, berufen und ist der Ansicht, ihr Widerruf sei nach dieser Vorschrift wirksam.

Nach dieser gesetzlichen Regelung steht einem Verbraucher bei einem Vertrag mit einem Unternehmer, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher durch mündliche Verhandlungen beispielsweise an seinem Arbeitsplatz bestimmt worden ist ein Widerrufsrecht zu. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht hat einen wirksamen Widerruf ebenfalls verneint. Der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in das BGB eingefügte § 312 erfasst keine im Personalbüro geschlossenen arbeitsrechtlichen Beendigungsverfahren. Es kann dahinstehen, ob der Arbeitnehmer Verbraucher iSv. § 13 BGB ist und ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag ohne Abfindung eine entgeltliche Leistung zum Vertragsgegenstand hat. Nach der Entstehungsgeschichte, der gesetzlichen Systematik sowie nach Sinn und Zweck des § 312 BGB unterfallen derartige Beendigungsvereinbarungen grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich der Norm. Sie werden nicht in einer für das abzuschliessende Rechtsgeschäft atypischen Umgebung geschlossen. Das Personalbüro des Arbeitgebers ist vielmehr ein Ort, an dem typischerweise arbeitsrechtliche Fragen, auch vertraglicher Art, geregelt werden. Von einer überraschenden Situation auf Grund des Verhandlungsortes, wie sie dem Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften als „besondere Vertriebsform“ zu Grunde liegt, kann deshalb keine Rede sein.

BAG, Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 177/03

Lässt eine vom Arbeitgeber eingeräumte Bedenkzeit die Drohung mit der fristlosen Kündigung, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen, entfallen?

Leitsätze des Bundesarbeitsgericht:

  1. Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit einer fristlosen Kündigung, die ein verständiger Arbeitgeber nicht in Betracht gezogen hätte, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen, wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine dem Arbeitnehmer eingeräumte Bedenkzeit beseitigt.

  2. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert eine dem Arbeitnehmer eingeräumte Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrages. Für eine von der Drohung nicht mehr massgebliche beeinflusste Willensbildung spricht jedoch, dass der Anfechtende die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln – z.B. neue eigene Angebote – erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen, insbesondere wenn er selbst rechtskundig ist oder zuvor Rechtsrat eingeholt hat bzw. auf Grund der Dauer der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können.


Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin vom 22.08.2006 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BAG, Urteil vom 28.11.2007, 6 AZR 1108/06

Kann wegen Surfens im Internet während der Arbeitszeit gekündigt werden?

Der Kläger war seit 1999 bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Für seine Tätigkeit stand ihm ein dienstlicher PC zur Verfügung, den er aber nicht allein nutzte und für dessen Nutzung die Beklagte auch keine Vorgaben gemacht hatte. Bei einer Kontrolle des PC stellte sich heraus, dass von dem PC häufig Internetseiten mit erotischem und pornographischem Inhalt aufgerufen und dass Bilddateien mit eben solchem Inhalt abgespeichert worden waren. Mit Schreiben vom 06.12.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht, ohne den Kläger vorher abgemahnt zu haben.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Die Beklagte machte geltend, der Kläger habe durch die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit seine vertraglich geschuldeten Arbeiten nicht erledigt. Dies habe er dann in Überstunden nachgeholt, die er der Beklagten anschliessend in Rechnung gestellt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgerichts zur weiteren Sachaufklärung.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass mangels tatrichterlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschliessend beurteilt werden konnte, ob der Kläger während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in kündigungsrelevanter Weise das Internet genutzt hat oder auch andere mit der Nutzung im Zusammenhang stehende Pflichtverletzungen begangen hat.

Eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich, in der Regel schuldhaft, verletzt. Auch wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist, kann sie eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen und den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigen. Ob sie das für eine Kündigung erforderliche Gewicht hat hängt u.a. von ihrem Umfang, der etwa damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nutzung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab.

BAG, Urteil vom 31.05.2007, 2 AZR 200/06

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Verdachtskündigung erfolgreich?

Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und der SPD. Er bewarb sich im Jahr 2004 um ein Landtagsmandat in Sachsen. Der Kläger war seit 1992 zeitlich überwiegend als Nachrichtensprecher bei der Beklagten tätig. Die Parteien streiten u.a. auch über den Arbeitnehmerstatus des Klägers.

Am 06.01.2004 um 3.45 Uhr veröffentlichte die Nachrichtenagentur ddp eine Meldung mit der Überschrift „Jurk schliesst rot-rotes Bündnis in Sachsen nicht aus“. Um 12.51 Uhr desselben Tages wurde eine inhaltlich geänderte Fassung dieser Meldung mit der Überschrift „Jurk will rot-rotes Bündnis in Sachsen“ von dem PC des Klägers bei der Beklagten an die E-Mail-Adressen von SPD – Mitgliedern versandt. Ab dem 07.01.2004 erschienen in den sächsischen Medien Berichte über die verfälschte Meldung. Daraufhin sagte die SPD die geplante Urabstimmung ihrer Mitglieder über die Spitzenposition für die Landtagswahl ab.

Die Beklagte stellte den Kläger frei und nahm eine technische Überprüfung vor, deren Ergebnis in einem Ablaufprotokoll zusammengefasst wurde. Am 16.01.2004 hörte sie den Kläger im Beisein seines späteren Prozessbevollmächtigten zu dem Manipulationsvorwurf an.

Mit Schreiben vom 21.01.2004 erklärte die Beklagte dem Kläger, sie beende dessen Tätigkeit als freier Mitarbeiter aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung.

Nachdem der Kläger am 26.01.2004 Kündigungsschutzklage erhoben hat kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30.01.2004 höchst vorsorglich ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund und hilfsweise ordentlich. Auch diese Kündigung hat der Kläger angegriffen.

Der Kläger nicht nur geltend gemacht, Arbeitnehmer zu sein, sondern insbesondere, dass er nicht Autor und Versender der verfälschten E-Mail gewesen sei. Er habe sich zur fraglichen Zeit auch nicht an diesem Arbeitsplatz aufgehalten. Die Anhörung genüge nicht für eine Verdachtskündigung, da er nicht im Einzelnen zu den Kündigungsvorwürfen befragt worden sei. Ausserdem sei die Kündigung vom 30.01.2004 ausserhalb der Zwei-Wochen-Frist erfolgt.

Die Beklagte machte geltend, der Kläger sei freier Mitarbeiter. Die Kündigungen seien wirksam, da der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Manipulation besteht. Dadurch sei das bei einem Nachrichtensprecher in der Position des Klägers zwingend notwendige Vertrauensverhältnis zerstört worden. Der Verdacht sei auch nicht ausgeräumt worden. Der Kläger habe sich nach den Angaben anderer Mitarbeiter am 06.01.2004 um 12.51 Uhr an seinem Arbeitsplatz aufgehalten. Es sei nahezu ausgeschlossen, dass die verfälschte E-Mail durch einen Dritten versandt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht beendet worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat allein der Kläger Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hatte auch den weiteren Anträgen des Klägers stattgegeben.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da mit der Argumentation des Landesarbeitsgerichts die Unwirksamkeit der Kündigung vom 30.01.2004 nicht begründet werden kann.

Das Arbeitsverhältnis ist weder durch die Kündigung vom 16.01.2004 noch durch die Kündigung vom 21.01.2004 beendet worden. Insofern geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, dass am 30.01.2004 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand.

Ob allerdings das Arbeitsverhältnis durch die Verdachtskündigung vom 30.01.2004 wirksam beendet worden ist kann das Bundesarbeitsgericht nicht abschliessend beurteilen.

Jedenfalls, so das Bundesarbeitsgericht, ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Verdachtskündigung nicht mangels ausreichender Anhörung des Klägers unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung verstosse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weil die Beklagte den Kläger vor dem Kündigungsausspruch nicht in ausreichender Weise angehört habe; denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe gegen Ende des Gesprächs am 16.01.2004 zum Ausdruck gebracht, er stelle sich eine Befragung so vor, dass er zu jeder einzelnen Frage entscheide, ob er sie für eine Beantwortung durch den Kläger geeignet halte. Ein solches Verhalten sei der Beklagten auch zumutbar gewesen. Diese habe das aber abgelehnt. Dieser Auffassung ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt und führt stattdessen aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur ausserordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellt.

Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. § 626 BGB lässt eine Verdachtskündigung zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts gegeben hat. Bei einer Verdachtskündigung besteht in besonderem Masse die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Daher ist es gerechtfertigt, die Erfüllung der Aufklärungspflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung anzusehen. Lediglich der Verdacht einer Verfehlung kann für den Ausspruch einer Kündigung nur genügen, wenn der Arbeitgeber den Verdacht weder ausräumen, noch die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen vermochte. Der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung kommt deshalb besondere Bedeutung zu. Der Arbeitnehmer muss die Gelegenheit erhalten, die Verdachtsmomente zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Der gebotene Umfang der Anhörung richtet sich entsprechend dem Zweck der Aufklärung nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anhörung muss sich auf einen konkretisierten Sachverhalt beziehen. Der Arbeitgeber darf ihm nicht wesentliche Erkenntnisse vorenthalten. Er muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Nur dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten in einer die Aufklärung fördernden Weise zu äussern

Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die sich aus der Aufklärungspflicht ergebende Anhörungspflicht, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht als Kündigungsgrund berufen. Eine Verletzung der Anhörungspflicht liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer erklärt, er werde sich zum Vorwurf nicht äussern, ohne hierfür erhebliche Gründe zu nennen. Der Arbeitgeber muss ihn dann auch nicht über die Verdachtsmomente näher informieren. Ist der Arbeitnehmer von vorneherein nicht bereit, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen substantiiert zu äussern und so an der Aufklärung mitzuwirken, ist die (weitere) Anhörung überflüssig, weil sie zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitsgebers nichts beitragen kann. Eine fehlende Bereitschaft, an der Aufklärung mitzuwirken, kann sich auch aus dem späteren Verhalten des Arbeitnehmers ergeben.

Bei Anwendung dieser Massstäbe hat die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Anhörung am 16.01.2004 ausreichend Gelegenheit gegeben, zu dem Kündigungsvorwurf Stellung zu nehmen. Der Kläger kannte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Bereits am 07.01.2004 berichtete die Presse über die Versendung der verfälschten E-Mails, woraufhin der Kläger mit seiner Vorgesetzten ein Gespräch führte. Am 08.01.2004 wandte er sich an mehrere Mitglieder der SPD und stellte den Sachverhalt aus seiner Sicht klar. Lagen damit der konkrete Verdacht und die Gründe hierfür offen, brauchte die Beklagte nichts mehr mitzuteilen. Sie hat dem Kläger keine Erkenntnisse oder Erwägungen vorenthalten, zu denen der Kläger zum Zwecke einer Entkräftung des Verdachts Stellung nehmen konnte. Es war auch nicht ihre Sache, konkrete Einzelfragen an den Kläger zu richten. Vielmehr hatte der Kläger bei der Anhörung am 16.01.2004 ausreichend Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, insbesondere entlastende Tatsachen und Gesichtspunkte vorzubringen. Diese Gelegenheit hat der Kläger nicht wahrgenommen, sondern es vorgezogen, sich erst sehr viel später im Verlaufe des Rechtsstreits konkret einzulassen, obwohl die Frage der „Täterschaft“ und die Verdachtsgründe hierfür klar zu Tage getreten waren. Jedenfalls war für die Beklagte unter diesen Umständen nicht ersichtlich, dass das Angebot des Klägers, einzelne Fragen zu prüfen und ggf. zu beantworten, dazu diente, einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Entkräftung des Verdachts leisten zu wollen.

Der Senat hat dem Landesarbeitsgericht folgende Hineise gegeben: Bei der Prüfung des erforderlichen Bezugs zum Arbeitsverhältnis der Parteien und zu dessen Vertrauensgrundlage ist zu berücksichtigen, dass Beklagte eine besondere Vertrauenswürdigkeit im Umgang mit politischen Nachrichten vom Kläger erwarten durfte. Als Nachrichtensprecher stand der Kläger für die Authentizität seiner Nachrichten. Durch den öffentlich bekannt gewordenen Verdacht einer Manipulation konnte das Ansehen der Beklagten schweren Schaden nehmen. Die Beklagte ist gemäss ihrem Programmauftrag zu einer wahrheitsgemässen und objektiven Berichterstattung verpflichtet.

Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss dringend sein und sich aus den Umständen ergeben, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Die den Verdacht stärkenden oder entkräftenden Tatsachen können bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorgetragen werden. Sie sind grundsätzlich zu berücksichtigen, sofern sie bereits vor Zugang der Kündigung vorlagen. Der Tatrichter muss sich eine Überzeugung bilden, ob das erforderliche Mass an Wahrscheinlichkeit vorliegt. Widersprüchliche Zeugenaussagen sind zu würdigen. Sie stehen der Annahme eines dringenden Verdachts keineswegs ohne weiteres entgegen. Bringt der Arbeitnehmer eine durchschlagende Entlastung ohne vernünftigen Grund erst im Prozess vor, kann darin ein Grund liegen, der iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lässt.

BAG, Urteil vom 28.11.2007, 5 AZR 952/06

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