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1. Grundsätze und Prinzipien im Arbeitsrecht


Kann eine nicht der Evangelischen Kirche angehörende Bewerberin, die deshalb abgelehnt wurde, Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verlangen?

Das der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörende Diakonische Werk in Hamburg schrieb im November 2006 eine projektbedingt auf elf Monate befristete Stelle als Sozialarbeiterein/Sozialarbeiter aus. Aus Mitteln des Europäischen Sozialfond und der Bundesrepublik Deutschland wurde die Stelle eines „Integrationslotsen“ finanziert. Im Zuwendungsbescheid des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird darauf hingewiesen, dass „der Grundgedanke der Gemeinschaftsrichtlinie EQAL (...) auch bei der Einstellungspraxis berücksichtigt werden“ soll. „Insbesondere wird dringend empfohlen, keine den Bewerberkreis einschränkende Vorgaben zu machen und auch bei der Auswahl von Mitarbeitern in dieser Hinsicht neutral zu sein.“

Die auf dieser Grundlage von der Beklagten erstellte öffentliche Stellenausschreibung verlangte von der Klägerin die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche. Die Klägerin ist eine gebürtige Türkin, aber nicht praktizierende Muslimin. Zu einem ihr nahe gelegten Kirchenbeitritt war sie nicht bereit. Nach der Ablehnung ihrer Bewerbung klagte sie eine Geldentschädigung gemäss § 15 Abs. 2 AGG wegen der aus ihrer Sicht erlittenen glaubensbedingten Diskriminierung ein.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Klage stattgegeben und ihr eine Geldentschädigung von drei Monatsgehältern zugesprochen.

Dabei hatte das Arbeitsgericht über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob nach dem Allgemeinen Gleichhandlungsgesetz (AGG) eine Benachteiligung von Arbeitnehmern bei der Einstellung wegen ihrer Religion abweichend vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausnahmsweise gerechtfertigt ist, § 9 Abs. 1 AGG.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat ausgeführt, dass § 9 Abs.1 AGG richtlinienkonform auszulegen (Artikel 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG vom 27.11.2000) sei. Danach sei das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft kein absoluter und abschliessender Massstab für eine unterschiedliche Behandlung. Vielmehr dürfe für die konkrete Tätigkeit das Selbstverständnis der Kirche nur dann eine entscheidende Rolle spielen, wenn diese dazu in einer direkten Beziehung stehe, was nicht für jede Tätigkeit in der Kirche sondern nur für den sogenannten verkündungsnahen Bereich anzunehmen sei.

Will daher zum Beispiel eine evangelische Landeskirche eine Pfarrstelle besetzen, ist es ihr erlaubt, Katholiken, Buddhisten und Moslems wegen ihres anderen Glaubens zu „benachteiligen“. D.h. eine solche Art der Personenauswahl verstösst nicht gegen die Vorschriften des AGG oder die Ziele der Richtlinie 2000/78/EG.

Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht berechtige den kirchlichen Arbeitgeber nicht, die Einstellung für Tätigkeiten im verkündungsfernen Bereich von der Kirchenzugehörigkeit abhängig zu machen. Dem aber sei die ausgeschriebene Stelle zuzurechnen.

Gegen das Urteil ist Berufung zum Landesarbeitsgericht möglich.

Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 04.12.2007, 20 Ca 105/07

Wer trägt die Beweislast für die Leistungsunfähigkeit eines Arbeitnehmers?

Ein Servicetechniker war monatelang arbeitsunfähig. Arbeitsmediziner bescheinigten ihm ihre gesundheitlichen Bedenken hinsichtlich seiner bisherigen Tätigkeit. Insbesondere dürfe er keine Arbeiten mit Absturzgefahr ausführen. Als der Mann wenig später aus einer Rehabilitationsklinik entlassen wurde, war in seiner Entlassungsmitteilung lediglich lapidar angekreuzt: „sofort arbeitsfähig“. Da das Unternehmen hieran zweifelte weigerte es sich, den Techniker einzusetzen. Dieser wiederum klagte hierauf seinen Lohn ein. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat die Klage abgewiesen.

An dieser Entscheidung ist bemerkenswert, dass zwar grundsätzlich der Arbeitgeber vor Gericht vortragen muss, warum der Arbeitnehmer nicht arbeitsfähig ist. Dies könne ein Arbeitgeber aber nur dann, wenn er nähere Angaben von dem Arbeitnehmer dazu bekommt. In diesem Fall war der Bericht der Rehabilitationsklinik nichtssagend. Es wurden keine Gründe dafür benannt, warum der Arbeitnehmer nach so langer Krankheit plötzlich wieder uneingeschränkt arbeitsfähig sein soll. Was war aus den zuvor bescheinigten Gesundheitsrisiken geworden? Da es hier an einem konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers fehlte wurde schliesslich dessen Klage abgewiesen. Das Gericht hat die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast eindeutig herausgearbeitet. Es reicht, wenn der Arbeitgeber zunächst Indizien vorträgt, wonach Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers begründet erscheinen. Dann muss der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit ausführlich begründen. Erst danach muss der Arbeitgeber seinen Verdacht beweisen.

Einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. Der Kläger machte nach erfolgreich geführtem Kündigungsschutzprozess Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für die mehrjährige Dauer des Kündigungsrechtsstreits geltend. Der Arbeitgeber wendet ein, der Kläger sei in diesem Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Instanzgerichte haben die Klage für begründet erachtet.

Die Revision der Beklagten hatte schliesslich Erfolg. Zwar darf ein Arbeitgeber die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht „ins Blaue“ hinein behaupten. Trägt er aber ausreichende Indiztatsachen vor, die die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ergeben könnten, dürfen die Arbeitsgerichte den hierfür angebotenen Beweis nicht als ungeeignet ablehnen. Der Arbeitnehmer muss vielmehr substantiiert vortragen und gegebenenfalls die Ärzte von ihrer Schweigepflicht befreien. Erst wenn die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auch nach Ausschöpfung der Beweismittel nicht geklärt werden kann, geht das zu Lasten des Arbeitgebers. Im Streitfall hat das Landesarbeitsgericht noch das vom der Beklagten beantragte ärztliche Sachverständigengutachten einzuholen.

BAG, Urteil vom 05.11.2003, 5 AZR 562/02; Vorinstanz: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.08.2002, 1 Sa 296/01;
LAG Schleswig-Holstein, 4 Sa 204/07

Ist es einem Arbeitgeber erlaubt, bei Verdacht einer falschen Reiskostenabrechnung einen Detektiv einzusetzen?

Einem Aussendienstmitarbeiter wurde wegen falscher Reiskostenabrechnungen ausserordentlich fristlos gekündigt. Die Arbeitgeberin hatte ihn zuvor von einem Detektiv drei Tage lang beobachten lassen. Dabei wurde entdeckt, dass der Mitarbeiter falsche morgendliche Abrechnungszeiten angab. Der Aussendienstmitarbeiter ist in seiner Klage der Ansicht, die Beauftragung eines Detektivs sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Die Arbeitgeberin hingegen argumentiert, der Detektiv habe eingesetzt werden müssen, da Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Reisekostenabrechnungen bestanden haben.

Das Bundesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung auf Grund falscher Reisekostenabrechnungen für gerechtfertigt gehalten. Durch das Vorlegen unrichtiger Belege sei das Vertrauensverhältnis so stark gestört, dass es der Arbeitgeberin nicht zuzumuten war, die gesetzlichen Kündigungsfristen abzuwarten. Mitarbeiter sind verpflichtet, Reiskosten korrekt abzurechnen. Das Bundesarbeitsgericht hat auch deutlich gemacht, dass ein Arbeitgeber bei einem hinreichenden Tatverdacht zur Einschaltung eines Detektivs berechtigt sei. Liegt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers vor, muss dieser auch die Kosten des Detektivs unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes tragen. Das Verfahren endete letztlich mit einem Vergleich. Man einigte sich auf die Wirksamkeit der Kündigung zum Ablauf der gesetzlichen Frist.

BAG, Beschluss vom 15.07.2004, 2 AZR 242/03

Ähnlich hat das Bundesarbeitsgericht in den Fällen entschieden, in denen Arbeitnehmern wegen Diebstahls fristlos gekündigt wurde. Insofern ist es nicht überraschend, dass das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze auch in Betrugsfällen anwendet.

Sind gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte bei der Zahlung einer übertariflichen Jahressonderzuwendung gleich zu behandeln?

Die Klägerin ist als gewerbliche Arbeitnehmerin in einem Schnellrestaurant bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Systemgastronomie Anwendung. Zwischen 1996 und 1997 erhielt die Klägerin jeweils die nach den manteltariflichen Vorschriften vorgesehene Jahressonderzuwendung. Die Beklagte zahlte an ihre Angestellten in diesen Jahren jeweils eine den tariflichen Anspruch überschreitende Jahressonderzuwendung in Höhe eines Monatsgehaltes. Mit ihrer Klage will die Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages zwischen der erhaltenen tariflichen Sonderzuwendung und einem vollen Monatseinkommen. Sie ist der Ansicht, der Anspruch folge aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Sachliche Gründe für eine Differenzierung zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten seien nicht erkennbar. Die Beklagte beruft sich auf ihr besonderes Interesse, die Angestellten an den Betrieb zu binden. Deshalb habe man mit den Angestellten auch eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen.

Vor dem Arbeitsgericht hatte die Klägerin Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Angestellten mit den für den Einsatz im Unternehmen der Beklagten erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt kaum verfügbar. Anders sei dies bei den gewerblichen Arbeitnehmern. Werden Angestellte neu eingestellt, so hätten sie auf Kosten der Beklagten eine etwa 2,5 bis 3-jährige interne Ausbildung. Aus diesem Grund habe die Beklagte ein gesteigertes Interesse, die Angestellten an das Unternehmen zu binden. Dies rechtfertige eine Besserstellung der Angestellten gegenüber den gewerblichen Arbeitnehmern. Hinzu käme, dass der Zweck der Besserstellung auch aus der Vereinbarung des Rückzahlungsvorbehalts auch hinreichend erkennbar sei.

BAG, Urteil vom 19.03.2003, 10 AZR 365/02

Kann der einzelvertragliche Kündigungsausschluss als sittenwidrige Knebelung angesehen werden?

Die Klägerin war seit Mai 1998 als Altenpflegerin und Haushälterin bei dem nach Abschluss der 2. Instanz verstobenen Erblasser beschäftigt. Der unter der Parkinsonschen Krankheit leidende Erblasser hatte mit der Klägerin in 2001 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung erst mit seinem Tod enden soll. In einem schriftlichen Zusatz zu dieser Vereinbarung bestätigte ein Arzt, dass bei dem Erblasser keinerlei psychisch relevanten Symptome festzustellen seien. Der Erblasser hatte sowohl seinem Sohn, als auch der Klägerin umfangreiche Vollmachten erteilt. Darunter das Recht für die Klägerin, das Hausrecht in dem von ihm bewohnten Haus auszuüben. Mit Schreiben vom 02.01.2002 wiederriefen sowohl der Erblasser als auch in dessen Vertretung der Sohn sämtliche der Klägerin erteilten Vollmachten. Zwei Tage später wurde er Klägerin das Arbeitsverhältnis ausserordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Die Klägerin ist der Ansicht, ein Grund für eine fristlose Kündigung sei nicht gegeben und der Ausschluss der ordentlichen Kündigung sei wirksam vereinbart worden. Mit ihrer Klage wendet sie sich gegen die Kündigung und macht Entgeltansprüche aus Annahmeverzug geltend.

Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung bis zum Tod des Erblassers sei deshalb vereinbart worden, weil der Sohn geäussert habe, er wolle seinen Vater in ein Heim bringen, was dieser aber nicht gewollt habe.

Der Erblasser hat im Prozess vorgetragen, die Klägerin habe sich unter sittenwidriger Ausnutzung seiner krankheitsbedingten Willensschwäche umfangreiche Vollmachten und einen vertraglichen Kündigungsausschluss verschafft, der nicht einmal für den Fall, dass er in ein Heim eingewiesen worden wäre, das Beschäftigungsverhältnis beendet hätte.

Der Erblasser trug weiter vor, dass die vor dem Ausspruch der Kündigung aufgetreten Spannungen eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hätten.

Die Instanzgerichte haben beide die ausserordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche jedoch für wirksam gehalten.

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat auch die ordentliche Kündigung für unwirksam angesehen. Die konkreten Umstände des vertraglich vereinbarten Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung begründen hier nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. War danach eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam ausgeschlossen, so kam auch eine Umdeutung in eine ausserordentliche Kündigung nach § 626 BGB mit notwendiger Auslauffrist schon deshalb nicht in Betracht, weil die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht geeignet sind, eine ausserordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Das Bundesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, dass bei einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auf Lebenszeit des Arbeitgebers die Voraussetzungen einer ausserordentlichen Kündigung nach § 626 BGB konkret zu prüfen sind.

Grundsätzlich ist ein einzelvertraglicher Ausschluss einer ordentlichen Kündigung auch für einen längeren Zeitraum und gegebenenfalls bis zum Tod des Arbeitgebers nicht von vorneherein wegen sittenwidriger Knebelung des Arbeitgebers nach § 138 BGB unwirksam. So hat auch der Gesetzgeber Arbeitsverträge für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre durchaus als zulässige Vertragsgestaltung gesehen, § 15 Abs. 4 TzBfG.

BAG, Urteil vom 25.03.2004, 2 AZR 153/03

Wann sind Vertragsstrafenversprechen unwirksam?

Eine Fachverkäuferin schloss mit einem Einzelhandelsunternehmen einen Arbeitsvertrag. Im Arbeitsvertrag war unter anderem geregelt, dass sie eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatslohns zu zahlen hat, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis nicht antritt oder vertragswidrig löst. Vereinbart war eine Bruttomonatsvergütung von 1.840,-- € und eine Kündigungsfrist von 14 Tagen während der Probezeit. Vier Tage vor dem vereinbarten Beginn der Tätigkeit teilte die Fachverkäuferin dem Unternehmen mit, sie werde ihre Arbeit nicht aufnehmen.

Das Einzelhandelsunternehmen hat Klage erhoben. Sie macht einen Anspruch auf Zahlung eines Bruttomonatslohns auf Grund des Vertragsstrafenversprechens geltend.

Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht hält zwar auch nach der Schuldrechtsreform grundsätzlich die Vereinbarung von Vertragsstrafen für zulässig. Unwirksam sind Vertragsstrafenregelungen dann, wenn sie unverhältnismässig sind und den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Dies ist dann der Fall, wenn die Vertragsstrafe im Verhältnis zur Pflichtverletzung zu hoch ist, den Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, § 307 BGB. Dies kann in einem Missverhältnis zwischen der Pflichtverletzung und der Höhe der Vertragsstrafe begründet sein. Da hier eine nur zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit vereinbart war, die Vertragsstrafe aber einen vollen Monatslohn vorsah, sei die Vertragsstrafe zu hoch. Dies führt zur Unwirksamkeit des Vertragsstrafenversprechens insgesamt. Eine Herabsetzung ist nicht möglich.

BAG, Urteil vom 04.03.2004, 8 AZR 196/03

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